Call for Papers

SIMPLE 2022

Théories et Réalités en Traduction et Rédaction 7

Theories and Realities in Translation and wRiting 7

Internationale Tagung

Dipartimento DILL, Università degli Studi di Udine – in Zusammenarbeit mit der KU Leuven [Antwerpen], der Université de Bretagne Occidentale [Brest], der Università Suor Orsola Benincasa [Neapel] und der Bilkent Üniversitesi [Ankara].

Übersetzen, Schreiben, Vereinfachen

Die drei Verben im Titel weisen auf drei Aktivitäten hin, deren Zusammenhänge unsere Tagung untersuchen will. Das Übersetzen und das professionelle Schreiben, die Schwerpunkte der T&R-Konferenzen, können beide auf verschiedene Weise mit dem Konzept der Vereinfachung in Verbindung gebracht werden. Gleichzeitig kann die Vereinfachung selbst in gewisser Weise als Brücke zwischen ihnen dienen. Im Rahmen dieser Tagung kann daher das Thema der Vereinfachung in Bezug auf die Übersetzung, das Schreiben oder beide Praktiken erörtert werden, sowohl um seine Relevanz zu bestätigen als auch um sie kritisch zu hinterfragen. Im Folgenden werden einige Überlegungen angestellt, die anregen sollen, jedoch keineswegs erschöpfend sind.

Übersetzen-Vereinfachen

Die Vereinfachung taucht – mehr oder weniger unterschwellig – in zahlreichen Auseinandersetzungen mit Übersetzungsfragen auf. So sind viele "Universalien der Übersetzung" mit vereinfachenden Tendenzen verbunden: Standardisierung, Normalisierung der sprachlichen Variation, Explikation, Verwendung konventioneller Formen... Die Betrachtungen vieler präskriptiver Theoretiker wie Berman (1991) oder Venuti (1995) scheinen auch "Deformationen" (Rationalisierung, Explikation, Expansion...) zu kritisieren, die in die gleiche Richtung gehen. Eine positivere Sichtweise der Vereinfachung ergibt sich aus den Überlegungen zur pragmatischen Übersetzung: Diverse funktionalistische Theorien (z. B. Reiss und Vermeer 1984 oder Holz-Mänttäri 1984) nehmen explizit die Rezeption des übersetzten Textes in den Blick, ebenso wie Gutt (2000, 2013), der die Relevanztheorie von Sperber und Wilson auf die Übersetzung anwendet. Ein weiteres Feld, das man sondieren kann, ist die maschinelle oder die computergestützte Übersetzung - im Falle der maschinellen Übersetzung denke man nur an das Risiko der fließenden Unzulänglichkeit   (Bernardini und Garcea 2020), im Falle der computergestützten Übersetzung an die Verflachung durch Übersetzungsspeicher, die es zwar ermöglichen, die Übersetzungsentscheidungen für eine Vielzahl von Texten zu standardisieren, gleichzeitig aber den/die Übersetzer/in daran hindern, innovativ zu sein, auch wenn dies wünschenswert wäre.

Schreiben-Vereinfachen

Im Bereich des professionellen Schreibens scheint der Gedanke der Vereinfachung, verstanden als die Beseitigung von sprachlichen Verständnisbarrieren, immer mehr an Bedeutung zu gewinnen. Jüngste Forschungen auf dem Gebiet der Schreibwissenschaft haben in der Tat gezeigt, dass das die Rezeption unterstützende vereinfachende Umschreiben bestimmte Strategien auf inhaltlicher Ebene erfordert, wobei zum einen Informationen eingefügt bzw. entfernt werden, die als mehr oder weniger relevant für den Leser gelten (Clerc et al. 2006; Clerc 2019). Zum anderen wird der Makrokommunikationsvorgang explizit gemacht (Vervier 2014; Vecchiato 2021). Mit anderen Worten: Vereinfachungs- und Popularisierungsstrategien haben weniger mit der Technik des Paraphrasierens als viel mehr mit den Techniken des Zusammenfassens und Explizierens zu tun (Gerolimich und Vecchiato 2018; Vecchiato 2021). Dieser Kategorie können auch Umschreibungen zugeordnet werden, die auf unterschiedliche Zielgruppen zugeschnitten sind - zum Beispiel auf Menschen mit kognitiven Einschränkungen und/oder Lese- und Verständnisschwierigkeiten, die eine einfach zu lesende "leichte Sprache“ benötigen (Bock 2019; Crestani 2020). Im weiteren Sinn scheint "Publikumsbewusstsein" eine unverzichtbare Eigenschaft für einen guten Redakteur zu sein (Schriver 1997; Cho & Choi 2018).

Schreiben-Übersetzen-Vereinfachen

Es gibt zumindest einen Bereich, in dem unsere drei Verben zusammen erforscht werden können: die Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse. In einer zunehmend komplexen und hyperspezialisierten Welt muss ein großer Teil der (Um-)Schreibarbeit auf Formen der Vereinfachung ausgerichtet sein, die den Zugang zu bestimmten Informationen erleichtern. Zudem wurde die Verbreitung auch oft als eine Art der (intra- oder interlingualen) Übersetzung angesehen. In diesem Zusammenhang leistet die Terminologie und insbesondere die Sozioterminologie, die darauf abzielt, verschiedene Formen der "sprachlichen Ergonomie" (Gaudin 2003; 2021) zu untersuchen, einen grundlegenden Beitrag. Das "Übersetzungsmodell" der Popularisierung von Wissenschaft kann befürwortet oder in Frage gestellt werden.

Je nach Kontext und Anwendungsbereich kann die Vereinfachung als ein Übel angesehen werden, das es zu vermeiden gilt, als ein zu erreichendes Ziel oder einfach als ein Trend, den man berücksichtigen muss. Die Tagung - wie auch die anschließende Publikation - will all diese Perspektiven der Übersetzungs- bzw. der Schreibwissenschaft ausloten.

Praktische Informationen

Die Tagung findet am 23.-25. November 2022 im Dipartimento DILL der Universität Udine statt. Die vorgesehene Beitragsdauer beträgt 20 Minuten. Wir freuen uns über die Einreichung von Abstracts (max. 300 Wörter, Bibliografie nicht eingerechnet, auf Deutsch, Englisch, Französisch oder Italienisch) sowie einer Kurzbiografie bis zum 28. Februar 2022 an simple(at)uniud.it. Eine Rückmeldung zur Annahme der Beiträge erfolgt bis zum 30. April 2022.

Organisation: Sonia Gerolimich, Iris Jammernegg, Fabio Regattin, Deborah Saidero, Sara Vecchiato.

Die vorangegangenen T&R-Tagungen wurden 2011 in Brest ausgerichtet (T&R1 – Le bon sens en traduction et rédaction (technique) / Common sense in translation and (technical) writing), 2012 in Antwerpen ((T&R2 – Le bien faire, faire le bien : éthique et déontologie en traduction et rédaction / Doing the right thing: ethics and deontology in translation and writing), 2014 ebenfalls in Brest (T&R3 – Traduire, écrire la science aujourd’hui / Translating, writing science today), 2016 in Neapel (T&R4 – Creativity in Translation/ Interpretation and Interpreter/ Translator Training / Créativité en traduction/interprétation et dans la formation des interprètes/traducteurs), 2018 in Antwerpen (T&R5 – Traduire, écrire le voyage / Writing, translating travel) und im Online-Format 2021 in Istanbul (T&R6 – Traduction/ Rédaction comme mosaïque…? / Translation/ Writing as mosaic…?).

Dem wissenschaftlichen Beirat von T&R gehören Emine Bogenç Demirel (Bilkent Üniversitesi, Türkei), Emilia Di Martino (Università degli Studi Suor Orsola Benincasa, Italien), Jean-Yves Le Disez (Université de Bretagne Occidentale, Frankreich), Winibert Segers (KU Leuven, Belgien) und Fabio Regattin (Università degli Studi di Udine, Italien) an.

 

Ausgewählte Literatur

Berman, A. (1991) La Traduction et la lettre, ou l’auberge du lointain, Paris: Seuil.

Bernardini, S. & Garcea, F. (2020) ‘Come funziona, e quanto ci serve, la traduzione automatica’, Linguisticamente.org, 26 agosto 2020, https://www.linguisticamente.org/come-funziona-e-quanto-ci-serve-la-traduzione-automatica/.

Bock B. (2019) Leichte Sprache – Kein “Regelwerk”. Sprachwissenschaftliche Ergebnisse und Praxisempfehlungen aus dem LeiSA-Projekt, Berlin: Frank & Timme.

Cho, Y., Choi, I. (2018) ‘Writing from sources: Does audience matter?’, Assessing Writing 37, 25-38.

Clerc, I. (2019) ‘Quelles règles d’écriture se donner pour communiquer avec l’ensemble des citoyens du Québec?’, Éla. Études de linguistique appliquée 195, 295–314.

Clerc, I., Kavanagh, É., Université Laval, & Groupe Rédiger (2006) De la lettre à la page Web: savoir communiquer avec le grand public, Québec: Publications du Québec.

Crestani, V. (2020) ‘Mediare in “Leichte Sprache” in tedesco e in italiano’, Italiano LinguaDue 12(1), 586-602.

Delavigne, V. (2012) ‘Peut-on “traduire” les mots des experts ? Un dictionnaire pour les patients atteints de cancer’, in Heinz, M. (ed.) Dictionnaires et Traduction, Frank & Timme GmbH, 233–266.

Delavigne, V. (2019) ‘Littératies en santé et forums de patients : des formes d’ergonomie discursive’, Éla. Études de linguistique appliquée 195, 363–381.

Gaudin F. (2003) Socioterminologie, une approche sociolinguistique de la terminologie, Bruxelles : de Boeck. Duculot.

Gaudin F. (2021) ‘Definitions in dictionaries with a popularization aim: Observations and remarks’, La linguistique 57(1), 93-110

Gerolimich, S. & Vecchiato, S. (2018) ‘«C’est illisible ? Simplifiez-le ! ». Évaluer la compréhension d’un texte à partir de la reformulation par des apprenants de FLE’, Repères DoRiF, 16.

Gutt, E.A. (2000) Translation and Relevance. Cognition and Context, London-NewYork: Routledge.

Gutt, E.A. (2013) ‘Le « bon sens », la théorie de la pertinence et la communication (technique) interlinguistique’, in Le Disez, J.-Y., Segers, W. (dir.), Le bon sens en traduction, Rennes: PUR.

Holz-Mänttäri, J. (1984) Translatorisches Handeln: Theorie und Methode, Helsinki: Suomalainen Tiedeakatemia.

Reiss, K. & Vermeer, H.J. (1984) Grundlegung einer allgemeinen Translationstheorie, Tübingen: Niemeyer, (traduz. inglese 2013,Towards a General Theory of Translational Action: Skopos Theory Explained, London: Routledge).

Schriver, K.A. (1997) Dynamics in Document Design: Creating Texts for Readers, New York: Wiley.

Vecchiato, S. (2021) ‘Riassumere, parafrasare, esplicitare: per una modellizzazione della semplificazione testuale’, in Fusco, F., Marcato, C., and Oniga, R. (eds), Studi sul Plurilinguismo. Tematiche, problemi, prospettive, Udine: Forum.

Venuti, L. (1995) The Translator’s Invisibility, London-New York: Routledge.

Vervier, A. (2014) Courrier administratif: un «avant/après» exemplaire, Rédaction claire, http://www.redaction-claire.com/2014/05/23/augmentez-l-impact-de-vos-courriers-exemple-d-avant-après/